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Eric Kandel

When Auguste Rodin visited Vienna in june 1902, Berta Zuckerkandl invited the great French sculptor, together with Gustav Klimt, Austria’s most accomplished painter, for a Jause, a typical Viennese afternoon of coffee and cakes. Berta, herself a leading art critic and the guiding intelligence of one of Vienna’s most distinguished salons, recalled this memorable afternoon in her autobiography:

Klimt and Rodin had seated themselves beside two remarkably beautiful young women—Rodin gazing enchantedly at them.… Alfred Grünfeld [the former court pianist to Emperor Wilhelm I of Germany, now living in Vienna] sat down at the piano in the big drawing room, whose double doors were opened wide. Klimt went up to him and asked: “Please play us some Schubert.” And Grünfeld, his cigar in his mouth, played dreamy tunes that floated and hung in the air with the smoke of his cigar.

Rodin leaned over to Klimt and said: “I have never before experienced such an atmosphere—your tragic and magnificent Beethoven fresco; your unforgettable, temple-like exhibition; and now this garden, these women, this music … and round it all this gay, childlike happiness.… What is the reason for it all?”

And Klimt slowly nodded his beautiful head and answered only one word: “Austria.”

Eric Kandel, The Age of Insight: The Quest to Understand the Unconscious in Art, Mind, and Brain, from Vienna 1900 to the Present, New York, 2012, p. xiii

Stefan Zweig

Wenn ich versuche, für die Zeit vor dem Ersten Weltkriege, in der ich aufgewachsen bin, eine handliche Formel zu finden, so hoffe ich am prägnantesten zu sein, wenn ich sage: es war das goldene Zeitalter der Sicherheit. Alles in unserer fast tausendjährigen österreichischen Monarchie schien auf Dauer gegründet und der Staat selbst der Oberste Garant dieser Beständigkeit. Die Rechte, die er seinen Bürgern gewährte, waren verbrieft vom Parlament, der frei gewählten Vertretung des Volkes, und jede Pflicht genau begrenzt. Unsere Währung, die österreichische Krone, lief in blanken Goldstücken um und verbürgte damit ihre Unwandelbarkeit. Jeder wußte, wieviel er besaß oder wieviel ihm zukam, was erlaubt und was verboten war. Alles hatte seine Norm, sein bestimmtes Maß und Gewicht. Wer ein Vermögen besaß, konnte genau errechnen, wieviel an Zinsen es alljährlich zubrachte, der Beamte, der Offizier wiederum fand in Kalender verläßlich das Jahr, in dem er avancieren werde und in dem er in Pension gehen würde. Jede Familie hatte ihr bestimmtes Budget, sie wußte, wieviel sie zu verbrauchen hatte für Wohnen und Essen, für Sommerreise und Repräsentation, außerdem war unweigerlich ein kleiner Betrag sorgsam für Unvorhergesehenes, für Krankheit und Arzt bereitgestellt. Wer ein Haus besaß, betrachtete es als sichere Heimstatt für Kinder und Enkel, Hof und Geschäft verübte sich von Geschlecht zu Geschlecht; während ein Säugling noch in der Wiege lag, legte man in der Sparbüchse oder der Sparkasse bereits einen ersten Obolus für den Lebensweg zurecht, eine kleine Reserve für die Zukunft. Alles stand in diesem weiten Reiche fest und unverrückbar an seiner Stelle und an der höchsten der greise Kaiser; aber sollte er sterben, so wußte man (oder meinte man), würde ein anderer kommen und nichts sich ändern in der wohlberechneten Ordnung. Niemand glaubte an Kriege, an Revolutionen und Umstürze. Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits unmöglich in einem Zeitalter der Vernunft.

Stefan Zweig, Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers, Stockholm, 1942, ch. 1